Lesereise Tschechien by Brill Klaus

Lesereise Tschechien by Brill Klaus

Autor:Brill, Klaus [Brill, Klaus]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-10-03T00:00:00+00:00


Das Alphatier auf der Burg

Václav Klaus erzielt als Marktradikaler, EU-Kritiker und Öko-Gegner große Aufmerksamkeit

Er nervt sie alle, aber ein schlechtes Gewissen hat er deshalb offenkundig nicht. Im Gegenteil: Er genießt es, und er zelebriert es. Er sonnt sich in den Scheinwerfern der großen Aufmerksamkeit. Im dunkelblauen Anzug tritt er in der Prager Burg vor jenen edlen Gobelin, der ihm mit seinen mythologischen Schlachtenszenen den passenden Hintergrund für seine Pressekonferenzen abgibt. Neben dem Pult steht die Präsidentenstandarte mit dem Staatswappen und der Aufschrift Pravda vítězí (Die Wahrheit siegt).

Was Václav Klaus an diesem Nachmittag zu sagen hat, dauert vier Minuten, seine Erklärung umfasst exakt eine DIN-A4-Seite. Natürlich hätte es genügt, den Text in Tschechisch und Englisch ins Internet zu stellen, wie es ja nach diesem Auftritt auch gleich geschieht. Aber Václav Klaus trägt ihn mit seiner hellen Stimme persönlich vor. Dann tritt er ab, Fragen sind nicht zugelassen. Die weihevolle Aura soll nicht durch kritische Einwürfe leiden, die am Ende noch die ganze Widersprüchlichkeit und Anmaßung dieser Inszenierung enthüllen könnten.

Seit diesem Augenblick immerhin – es war am 9. Oktober 2009 um 15:04 Uhr – wusste Europa, womit Václav Klaus die übrigen sechsundzwanzig EU-Länder quälen wollte, ehe er als Letzter der siebenundzwanzig Staatschefs zur Ratifikation der großen EU-Reform und des Vertrags von Lissabon bereit war. Auch die eigene Regierung in Prag fühlte sich vor den Kopf gestoßen. Denn ihre Sache war es und nicht die des Präsidenten, bei den Verhandlungen die Interessen Tschechiens zu wahren; sie wurde aber vom Meister ebenso wie die gesamte EU brüskiert und zum Nachsitzen verdammt. Der tschechische Staatspräsident verlangte Nachbesserungen.

Václav Klaus gegen den Rest der Welt – es ist eine vertraute Konstellation. Verkniffen lächelnd präsentiert sich der Herr der Prager Burg gern als eines jener Alphatiere, denen ein Alleingang nicht Angst macht, sondern ein sportives Vergnügen bereitet. Aggressivität paart sich bei diesem Typus mit der Überzeugung, alleine den richtigen Weg zu kennen. Hohe Intelligenz geht einher mit Empfindungslosigkeit gegenüber den Schmerzen, die man anderen bereitet. Und nichts macht einen solchen Protagonisten mächtiger als das Wissen, dass andere von ihm abhängig sind. So musste sich unter dem Druck der Verhältnisse die EU in jenem quälerischen Herbst des Jahres 2009 den Auftritt eines Egomanen aufnötigen lassen, den seine Gegner als rechthaberischen Störenfried und eitlen Populisten schmähen, während seine Anhänger ihn als aufrechten Vorkämpfer für freie Märkte und liberale Prinzipien feiern.

Das Handeln des Václav Klaus erschließt sich am ehesten von seinem Selbstverständnis als Ökonom her. Noch unter dem kommunistischen Regime war er 1967 der erste Doktorand der Tschechoslowakei, der nicht der KP angehörte. Nach dem Prager Frühling von 1968 verlor er seine Stelle bei der Akademie der Wissenschaften und kam bei der Staatsbank unter. Früh begeisterte er sich für die Marktwirtschaft, und zwar in ihrer ungezügelten Form – »ohne Attribute«, wie er zu sagen pflegt. Vor allem ohne das in Deutschland so beliebte Attribut »sozial«. Die Wissenschaftler Milton Friedman (USA) und Friedrich August von Hayek (Österreich) sind seine neoliberalen Säulenheiligen, entsprechend schätzt er auch die Markt-Fundamentalisten Ronald Reagan und Margaret Thatcher.

Ihm selber öffnete sich der Weg in die Politik 1989 durch den Zusammenbruch des Kommunismus.



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